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Demografischer Wandel

Seit gut 20 Jahren gehört der demografische Wandel zu den wichtigsten Trends der gesellschaftlichen Entwicklung. Auch in Baden-Württemberg sind seine Auswirkungen in Form von Alterung und einer Heterogenisierung der Gesellschaft zu spüren. Dabei verläuft der demografische Wandel räumlich differenziert.

Entwicklung der Bevölkerungszahl

In Baden-Württemberg kommen seit 2006 weniger Kinder zur Welt als Menschen sterben. Dass die Bevölkerung dennoch zum Teil deutlich wächst, liegt an Wanderungs­gewinnen. Im Saldo ziehen mehr Menschen von anderswo nach Baden-Württemberg als umgekehrt. Dies führt dazu, dass die Bevölke­rungs­zahl zwischen 2000 und 2023 um mehr als 810 000 zunahm. Ende des Jahres 2023 lebten gut 11,3 Mio. Menschen in Baden-Württemberg – Tendenz weiter steigend.

 

Gesellschaftliche
Heterogenisierung

Als Folge der Zuwanderung aus anderen Teilen Deutschlands und aus dem Ausland, aber auch auf Grund gesellschaft­licher Veränderungen, ändert sich die Zusammensetzung der Bevöl­kerung. Dies ist geprägt durch eine Zunahme ethnischer, kultureller und religiöser Vielfalt sowie durch neue Familien- und Lebens­konstellationen. Statis­tisch zeigen sich diese Entwick­lungen zum Beispiel in der Zunahme von Menschen mit Migrations­erfahrung, der Zu­nahme von Einpersonen­haus­halten, einem steigenden Anteil von Geburten nicht ver­heira­teter Mütter oder einem Rückgang der Kirchenmitglieder.

Lebenserwartung und
Alterung

Die Lebenserwartung der Menschen ist auf Grund von Fortschritten in Medizin, Hygiene und Unfallverhütung in den vergangenen 20 Jahren weiter gestiegen. So leben in Baden-Württemberg geborene Frauen heute durchschnittlich 84,1 Jahre (2000: 82,1) und Männer 79,2 Jahre (2000: 76,7).

Mit zunehmender Lebenserwar­tung steigt der Anteil älterer Menschen. Im Jahr 2023 gab es rund 450 000 mehr Menschen im Alter von mindestens 75 Jahren als noch 2000, die Zahl der Hochbetag­ten im Alter von 85 Jahren oder älter ist im gleichen Zeitraum um über 170 000 gestiegen. Dies stellt die Gesellschaft und die räumliche Planung vor Heraus­forderungen, etwa bei der Versorgung mit barrierearmen Wohnungen, der Gesundheits­versorgung oder der Erreichbarkeit von Einrichtun­gen der Daseinsvorsorge.

Die Alterung durch die höhere Lebenserwartung wird durch geringe Geburtenzahlen ver­stärkt. Zwischen 2000 und 2023 stieg das Durchschnitts­alter in Baden-Württemberg somit um über drei Jahre von 40,2 auf 43,8 Jahre an. Für die Zukunft wird in Folge anhaltend niedriger Geburten­häufigkeiten mit einem weiteren Anstieg des Durchschnittsalters gerechnet.

Folgen hat diese Entwicklung auch für den Arbeitsmarkt: Der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ist seit 2000 von rund 62 auf unter 60 Prozent gesunken.

Demografischer Wandel - was ist das?

Die Veränderung der Bevöl­kerungszahl und ihrer -struktur wird als demografischer Wandel bezeichnet. Zu den Kompo­nenten dieses Wandels gehört zum einen die Zu- oder Abnahme der Bevöl­­kerung durch Geburten, Sterbe­fälle und Wanderungen (Zu- und Fort­züge). Zum anderen zählen hierzu Änderungen in der Altersstruktur und der gesell­schaft­lichen Zusammen­setzung, die als Hetero­genisierung be­zeichnete zunehmende Vielfalt von Le­bens-, Familien- oder Haushaltsformen.

Räumliche Entwicklung der Bevölkerungszahl

Die Prozesse und Komponenten des demo­grafischen Wandels laufen nicht überall im Land gleich ab. So stehen Regionen mit Bevölke­rungs­­zunahmen solchen mit -verlusten gegenüber. Zwischen 2005 und Anfang der 2010er-Jahre nahm die Bevölkerung vor allem in den Verdichtungs­räumen zu, während die übrigen Raum­kategorien, insbesondere der Ländliche Raum, teilweise Bevölke­rung verloren. Im Zuge dieser Reurbanisierung zogen vor allem junge Men­schen in die Kernstädte, sodass hier besonders viele Kinder zur Welt kamen. Bis 2021 wurden in den Groß- und Universitätsstädten – anders als im Land insgesamt – mehr Kinder geboren als Menschen verstarben.

Spätestens 2014 ergab sich jedoch eine neuerliche Trend­verschiebung: Als Ergebnis zunehmender Zuzüge aus dem Ausland stiegen die Bevölke­rungszahlen auch in vielen ländlichen Regionen, vor allem in den Verdichtungs­ereichen des Ländlichen Raums. Hier ergänz­ten sich gute infrastruk­turelle Ausstattungen und ein – im Ver­gleich zum Verdichtungs­raum – erschwing­licheres Wohnungs­angebot. Seit der Corona-Pandemie profitiert auch der Ländliche Raum im engeren Sinne wieder von Bevölkerungs­zuwächsen, während die Ent­wick­lung in den Verdichtungs­räumen an Dynamik verloren hat.

In den kommenden Jahren rechnen das Statistische Landesamt Baden-Württemberg ebenso wie andere Institute insgesamt mit einem weiteren, jedoch zurückgehenden Bevölkerungs­wachs­tum. Die räumlichen Schwer­punkte des Wachstums werden sich dabei voraus­sichtlich weiter in ländliche Regionen verlagern.

Durchschnittliche jährliche Veränderung der Bevölkerungszahl in den Raumkategorien (nach LEP 2002) in unterschiedlichen Zeiträumen seit 2000 in Prozent

Räumliche Entwicklung der Alterung

Die Alterung ist vor allem in ländlichen Regionen eine zentrale Komponente des demografischen Wandels. Im Jahr 2000 waren die Menschen im Ländlichen Raum mit durch­schnitt­lich 39,3 Jahren am jüngsten. 2023 wies diese 

Raumkategorie mit 44,3 Jahren eines der höchsten Durch­schnitts­alter auf. In Teilen des Schwarz­walds und der Schwäbischen Alb, einigen Ufer­gemeinden des Bodensees, dem Odenwald und Teilen Nord­wüttem­bergs ist das Durch­schnitts­alter besonders hoch. Der Ländliche Raum ist insgesamt durch eine überdurch­­schnitt­liche Zahl von Ein­wohner­innen und Ein­wohnern im Alter zwischen 50 und 70 Jahren gekenn­zeichnet.

Aus demografischer Perspektive liegt die Herausforderung hier in den kommenden Jahren zum einen in der Sicherstellung der Daseinsvorsorge, zum anderen in der Stärkung der Attraktivität als Wohnstandort, um vom vorausgesagten Bevölkerungs­wachstum zu profitieren. Ein ausreich­en­des und diverses Wohnungs­angebot, eine gute verkehrliche Erreichbarkeit und digitale Infrastrukturen sind Grundlagen für den an­stehen­den Generationen­wechsel und den Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

Anders als im Ländlichen Raum konnte die Alterung in den Verdichtungs­räumen nach 2010 durch die Zuwanderung junger Menschen aus dem In- und Ausland sowie steigender Geburtenüberschüsse abgemil­dert werden. Hintergrund ist, dass die Kernstädte der Verdich­tungs­räume ein besonderer Anziehungspunkt für Studierende, Auszubildende und junge Berufstätige sind. Mit einem vergleichsweise hohen Anteil junger Erwachs­ener im Alter zwischen 20 und 30 Jahren und einem Durch­schnitts­alter von 43,3 Jahren ist die Bevölkerung in den Verdich­tungs­räumen heute im Vergleich zu anderen Raum­kategorien jung.

Beson­ders hoch ist hier daher die Nachfrage nach kinderbezoge­nen Einrichtungen der Daseins­vor­sorge wie Kinderärzte, Kinder­gärten oder Schulen und geeig­netem bezahlbaren Wohnraum.

Räumliche Entwicklung der Heterogenisierung 

Auch die Heterogenisierung zeigt je nach Raumkategorie unterschiedliche Muster. Raumplanerisch von Bedeutung ist insbesondere die Zunahme der Einpersonen­haushalte um rund 430 000 seit 2000. Etwa 40 % aller privaten Haushalte in Baden-Württemberg bestehen aus nur einer Person. Besonders hohe Werte werden in den Kernen der Verdich­tungs­­räume gemessen.

Der demografische Wandel in Baden-Württemberg

Fokus Raumentwicklung 2024 (1)